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Milch-Kraft
Von Stadtwiki
Der Milch-Kraft war ein Milchgeschäft in der Kaiser-Friedrich-Straße 31 (nach dem Zweiten Weltkrieg Haus Nr. 62) in Pforzheim. 1910 wurde das Geschäft von Katharina Kraft eröffnet.
Geschichte
Katharina Kraft, geb. Schnürle, (* 24.März 1886 in Schwarzenberg bei Schömberg - † 18.Februar 1965 in Pforzheim) und ihr Mann Friedrich Kraft (* 20.Mai 1884 in Schwarzenberg - † 11.Mai 1951 in Pforzheim) zogen 1910 von Schwarzenberg nach Pforzheim in die Kaiser-Friedrich-Straße 31. Hier eröffnete die 24-jährige Katharina im selben Jahr ein Milchgeschäft. Ihr Mann Friedrich Kraft, arbeitete zu der Zeit als Goldschmied in Pforzheim. Am 04.November1912 wurde Sohn Willi geboren († 27.Januar 1947). Nach dem 1. Weltkrieg, in dem Friedrich als Soldat diente, wurde am 25.Juni 1919 der zweite Sohn Otto († 22.Dezember 1999) und am 27.Oktober 1921 der dritte, Erwin, geboren († 25.März 1945). Das Milchgeschäft befand sich im Erdgeschoß, in einem Zimmer der Wohnung zur Straßenseite und hatte zu dieser Zeit keine Schaufenster. Katharina war auf ihren Laden recht stolz, war sie doch der Meinung, dass sie mit dem Geschäft privilegiert war, da sie auch in schlechten Zeiten immer etwas zu essen haben würde. Ihr Bruder Friedrich Schnürle hatte eine Bäckerei in der Calwer Straße und ihr Schwager Eugen Kraft, der jüngere Bruder Ihres Mannes, war ebenso Bäcker mit einem eigenen Geschäft in der Kaiser-Friedrich-Straße 81.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude am 23. Februar 1945 völlig zerstört. Die Bewohner konnten sich nur durch Flucht auf die Böschung hinter dem Haus retten. Die Krafts tauschten das Grundstück nach dem Krieg gegen das Grundstück Kaiser-Friedrich-Straße 60A aus, die Hausnummer wurde später geändert in Nr. 62. Sie mussten tauschen, da die KF auf der linken Seite stadtauswärts nicht mehr bebaut werden sollte und sie deshalb ihr altes Haus nicht mehr aufbauen durften. Erst als so viele Flüchtlinge kamen wurde der Plan geändert und man baute dort Sozialwohnungen.
Friedrich und Otto putzten die Backsteine ihres alten Hauses Nr.31 und fuhren sie mit Schubkarren zur Nr. 60a. Auch die dort noch brauchbaren Steine wurden für den Bau des neuen Hauses verwendet, um das Geschäft schnellstmöglich wieder zu eröffnen. Nach dem Tode Friedrichs 1951, führte Katharina das Geschäft zusammen mit Ihrem Sohn Otto weiter. Sein Tagesablauf war fast jeden Tag gleich. Um 5:00 Uhr stand er auf und brachte die Milch, die vom „Milchauto“ bis in die 1960er Jahre noch in Kannen angeliefert wurde, in den Laden. Um 6:30 Uhr öffnet er das Geschäft, so dass die Arbeiter, die in den umliegenden Fabriken wie z.B. in der Maschinenfabrik Simmel, bei Gustav Rau, Schnurr oder Henkel und Grosse arbeiteten, ihr Vesper, ihre Milch oder - zu der damaligen Zeit - auch noch ihr Bier kaufen konnten. Nach dem Frühstück belud er seinen Opel Caravan und fuhr mit Brötchen, Obst, Milch und anderen Getränken sowie Süßigkeiten seine Runde, um in den Höfen der oben genannten und in weiteren Fabriken seine Waren den Arbeitern und Angestellten anzubieten. Zurück von dieser Tour kam schon die nächste. Er fuhr zum Obst-Koch nach Brötzingen, um den täglichen Bedarf an Obst und Gemüse einzukaufen.
Am späten Vormittag löste er dann seine Frau im Laden ab und unterhielt seine vor allem weiblichen Kunden mit seinen Bonmots oder „Kraftsprüchen“. Hier einige Beispiele:
- Wenn i morgens ufwach un’s dud mer nix weh, dann bin ih heh.
- Jedes Ding an seinen Ort, erspart viel Müh und manches böse Wort.
- Schaff un erwirb, zahl Schdeier un schdirb.
- Oder, wenn er gefragt wurde, welche Äpfel (oder anderes Obst) besser sind, dann sagte er: des isch G‘schmacksach wie bei de Fraue, de oind liebt die Marie, de anner die Sofie und de nägschde alle zwei.
- Und wenn die Tomaten noch nicht ganz reif waren, dann sagte er seinen Kundinnen: denne mieset se no en dreckige Witz verzehle, damid se rod werre.
- Liewer en Bauch vom Esse on Drenge als en Buggl vom Schaffe.
- Auf gehts, mit am Flotz noch Wien on mit em Bodschamber en de Kiche rom.
- Wenn er eine Frau oder einen Mann mit einem Hund gesehen hat, dann sagte er: Des isch doch der, wo den Schuzmann verisse had.
Als er einmal einen Hundebesitzer dabei erwischte, wie dieser den Hund an sein Schaufenster hat pinkeln lassen, und er ihn deshalb anschnauzte, rechtfertigte sich der Hundebesitzer mit der Bemerkung, das sei o.k., denn er zahle doch schließlich Hundesteuer. Darauf reagierte der Otto Kraft lautstark mit dem Satz: “Dann len se doch ihren Keder ans Rodhaus no saiche.“
Im Jahre 1984 hat Otto Kraft, der „Milch-Kraft“, im Alter von 65 Jahren sein Lebensmittelgeschäft verkauft. Er hat aber bis zu seinem Tode am 22.Dezember 1999 im ersten Stock seines Hauses gewohnt. Otto Kraft ist in der KF geboren, aufgewachsen, hat dort sein Leben lang gelebt und ist dort auch gestorben. Als er fast 60 war staunte er oft darüber, dass er nun von vielen Familien fünf Generationen gekannt hatte: Urgroßeltern und Großeltern, die, die zu seiner Generation gehörten, deren Kinder und Enkel.