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Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald

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Die Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald ist eine der 81 regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK), die im Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) organisiert sind. Die Präsidentin der IHK Nordschwarzwald, Claudia Gläser, ist seit dem 13. Juli 2017 im Amt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entstehung der Handelskammer Pforzheim, der Industrie- und Handelskammer Pforzheim bis zur IHK Nordschwarzwald

In früheren Zeiten des Zusammenschlusses der einzelnen Handwerke in Zünften, in welchen die die Organisation der einzelnen Berufe geordnet und deren Interessen gemeinsam vertreten wurden, waren die Krämer, also die Einzelhändler, zusammen mit den Wirten ebenfalls in einer Zunft vereinigt. Diese hatte in erster Linie darüber zu wachen, dass die strengen und oft recht engen Zunftbestimmungen nicht übertreten wurden, dass z. B. kein Ladengeschäft andere als die zu seinem engumgrenzenten Bereich gehörigen Waren verkaufte.

Die alten Zunftbestimmungen passten längst nicht mehr zu der sich seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts immer mehr ausweitenden und entwickelten Wirtschaft mit ihren neuen Industrien und ihren Verbindungen zu vielen fremden Ländern. Daher wurde im Jahre 1817 ein Deutscher Handels- und Gewerbeverein ins Leben gerufen, der sich vor allem die Schaffung eines allgemeinen deutschen Zollvereins zur Aufgabe machte, da die Zollabsperrung der einzelnen deutschen Staaten gegeneinander die Entwicklung von Industrie und Handel schwer hemmte.

Diesem Verein traten in Pforzheim zunächst zwölf Geschäftleute bei. Gleichzeit entstand zur Behandlung interner Fragen der Pforzheimer Wirtschaft ein aus angesehenen Geschäftsinhabern verschiedener Geschäftszweige bestehender Handels-Vorstand. Dies waren aber keine offiziell anerkannten Körperschaften, sondern freiwillige Zusammenschlüsse ohne besondere Rechte.

Gegen Ende der zwanziger Jahre bestand bei der badischen Regierung die Absicht, Handel und Industrie zu einer festen Organisation zusammenzuschließen. Es wurde eine Anfrage, welche Organisation dieser Kreise seither bestanden habe, an den Handels-Vorstand in Pforzheim gerichtet, welcher aus folgenden Männern bestand: Christoph Friedrich Witzenmann (Landtagsabgeordneter), Carl Bofinger, J. Kroll (Vorstand der Floßgesellschaft), Wilhelm Lenz und Georg Jakob Dennig.

Dieser antwortete am 3. April 1829: ,,Auf die gütigst mitgeteilte und anliegend wieder zurückfolgende Anfrage eines Großherz. Wohllöbl. Directoriums haben wir gehorsamst zu berichten, daß in hiesiger Stadt die Kaufleute weder eine Zunft noch eine Innung bilden, und sich deshab keine hierauf bezügliche Statuten oder Artikel vorfinden, was auch bisher viele Klagen und Beschwerden unter den Kaufleuten selbst, sowie mit den Conditors und anderen Gewerbsleuten verursachte, welche, wie bekannt, teils durch hohe und höchste Verordnung und Beschlüsse beigelegt wurden. Das Einzige, was wir von Bedeutung besitzen, ist eine hochweisliche Verfügung des hohen Ministeriums des Inneren, wornach den Conditors, die sich zu viel Anmahnungen zu Schulden kommen ließen, untersagt wurde, mit allen jenen Artikeln Handel zu treiben, die etwa zur Bekleidung oder Betreibung eigen eines Gewerbes erforderlich sein könnte.“ Auf Verlangen der Regierung wurde von dem Handelsvorstand ein Entwurf von Statuten für die Organisation des Handelsstandes und seiner Vertretung ausgearbeitet; doch scheint die Sache damals nicht weiter verfolgt worden zu sein.

Im Jahre 1832 wurde der Handels-Vorstand heftig angefeindet, was zum Rücktritt desselben führte. Es wurden nun neu gewählt: Karl Näher (Kupferhammerbesitzer); Rudolf Deimling, Kaufmann; Johann Adam Benckiser, Bijouteriefabrikant; G. A. Kiehnle, Bijouteriefabrikant, und Samuel Ludwig Finkenstein, Tuchfabrikant.

Gehorsamster Bericht - Neuer Handelsvorstand

Außer diesem aus verschiedenen Geschäftszweigen zusammengesetzten Handelsvorstand hatten die Bijouteriefabrikanten noch eine eigene lose Organisation zur Behandlung von Fragen, die lediglich ihre Branche angingen. Geschäftsführer war der Fabrikant G. F. Hausmann. Im Jahre 1836 schrieb dieser an das Bürgermeisteramt, nachdem die Zahl der Bijouteriefabrikanten bedeutend zugenommen habe, könne er die Verantwortung nicht mehr alleine übernehmen; er bitte daher, ihn seines Amtes als Sekretär zu entheben und statt dessen einen mehrköpfigen Vorstand der Bijouteriefabrikanten wählen zu lassen. So entstand das „Ausschuß-Komité der Bijouterie-Fabrikanten“, das „Fabrik-Komité“ genannt, etwa den heutigen Fachgruppen vergleichbar, das interne Fragen der Schmuckindustrie zu behandeln hatte, während dem „Handels-Vorstand“ Fragen allgemeiner Art zu erledigen blieben. Wie vage die rechtliche Stellung dieser Korporationen war, zeigt eine Bemerkung des Bürgermeisters Lenz in einem Brief an das Oberamt vom Juni 1836: „….Es ist übrigens hierorts nicht bekannt, wie sich der Handelsvorstand ergänzt, duch Wahl der Mitglieder des Handelsstandes oder durch Ernennung von seiten des Staats oder der Stadtbehörde, ob eine solche Stelle abgelehnt werden darf und wie lange sie behalten werden muß . . ."

Trotz der reichlich unsicheren rechtlichen Stellung dieser Komités haben diese doch nutzbringende Arbeit geleistet. So mußte z.B. in den dreißiger Jahren ein Kampf gegen die Wieder-Einführung der staatlichen Goldkontrolle und -Punzierung ausgefochten werden. Bis zum Jahr 1827 hatte ein solcher Kontrollzwang bestanden, gegen den sich die Fabrikanten schon lange gewehrt hatten und der in den letzten Jahren nur noch sehr lax behandelt worden war. In genanntem Jahr wurde der Zwang aufgehoben und dem einzelnen Fabrikanten überlassen, ob er seine Waren bei dem öffentlichen Goldkontrolleur stempeln lassen wollte; einzelne Exportländer verlangten diesen staatlichen Stempel. Die große Mehrzahl der Pforzheimer Industriellen begrüßte die Aufhebung der Zwangskontrolle. Der wirtschaftliche Aufschwung infolge der Gründung des deutschen Zollvereins hatte in Pforzheim zur Entstehung einer Reihe neuer Bijouteriefabriken geführt. Ein Teil der älteren Firmen sah diese Entwicklung nicht gerne; unter der Behauptung, dass ein Teil der kleineren Firmen nicht vollhaltiges Gold verwende und dadurch den Ruf der Pforzheimer Waren schädige, stellten sie den Antrag auf Wiedereinführung der früheren staatlichen Zwangskontrolle und einer Konzessionspflicht bei Gründung neuer Bijouteriefabriken. Die oben erwähnten Angriffe auf den Handels-Vorstand scheinen damit im Zusammenhang zu stehen. Infolge des Widerstandes cler großen Mehrheit der Pforzheimer Fabrikanten blieb es dann bei der Pregelung des Jahres 1827.

Im Jahre 1841 wurde, anstelle des seitherigen Deutschen Handels- und Gewerbevereins ein Allgemeiner Deutscher Industrieverein gegründet, der sich hauptsäihlich die Einführung gemäßigter Zölle, den Ausbau des deutschen Eisenbahnnetzes, eine einheitliche Ordnung des Post-, Münz-, Maß- und Gewichtwesens, Schutz des geistigen Eigentums usw. zur Aufgabe machte, Dinge, die nur ganz allmählich und gegen große Widerstände der Einzelstaaten durchgeführt werden konnten. Als Untergruppe entstand ein badischer Industrieverein mit Bezirksvereinen in allen größeren Städten. Auch das Pforzheimer Fabrik-Komitê, dessen Leitung seit 1841 der Fabrikant August Dennig inne hatte, schloß sich diesem badischen Industrieverband an. Daneben aber bestand der Handels-Vorstand für die gesamten Gewerbe der Stadt weiter. Alle diese Vereinigungen aber waren freie Schöpfungen und hatten keinen offiziellen Charakter. Das Fabrik-Komitdê damals schon manchmal als Handelskammer bezeichnet, kämpfte in jenen Jahren besonders hartnäckig um den Bau der Eisenbahnlinie von Karlsruhe nach Mühlacker-Stuttgart, damit Pforzheim an das große Eisenbahnnetz angeschlossen werde. Auch auf diesem Gebiete mußten viele Widerstände, hauptsächlich von Württemberg ausgehend, überwunden werden, bis es gelang, den Bau dieser naturgegebenen Verbindung durchzusetzen.

Die Gründung der Handelskammer als Zwangsinnung

im Jahre 1853 und deren Tätigkeit. - Präsident August Dennig

Die politische Reaktion nach der revolutionären Erhebung der Jahre 1848 und 1849 führte dazu, dass auch im Gewerbewesen wieder auf alte, überholte Innungs- und Zunfteinrichtungen zurückgegriffen wurde. Auf Grund eines Gesetzes vom Jahre 1852 sollten Handelskammern errichtet werden, welche Innungscharakter haben sollten und den gesamten Handelsstand, einschließlich der Industrie, zu umfassen hatten. Jeder, der fortan ein Handels- oder Industriegeschäft anfangen wollte, mußte sich einer Prüfung auf fachliche Eignung und auf Besitz entsprechender Mittel unterziehen.

An der Spitze, der Stadtverwaltung stand seit dem Jahre 1849 der Bürgermeister Carl Hermann Zerrenner, der aus Lübeck stammte und in Pforzheim seit dem Jahr 1840 eine Bijouteriefabrik betrieb. Auf Grund der neuen Verhältnisse sollte nun eine allgemeine Handelskammer gewählt werden. In sehr klarer Weise übermittelte der Bürgermeister Zerrenner am 18. Juni 1852 dem Oberamt seine Neinung und seine Vorschläge über die zu bildende Handelskammer. Es heißt in diesem Schreiben: "Es wäre wünschenswert, wenn auch dahier die Mitglieder des Handels- und Fabrikstandes sich zur Bildung einer Handelskammer, wie solche in Mannheim, Carlsruhe und Freiburg und anderen Orten bestehen, vereinigen würden. Wir erachten eine solche Vereinigung der verschiedenen Kaufleute nicht allein für diese, sondern auch für die Gemeinde notwendig und könnte dieselbe nach unserer Ansicht leicht in der Art bewerkstelligt werden, dass bei den gesonderten Verhältnissen der verschiedenen Branchen des Handels die Vorsteher jeder Branche zusammen den Vorstand der Handelskammer bilden.

In dieser Weise würde z. B. das Fabrik-Komitdê die Interessen der Fabrikanten speziell als solches, die allgemeinen Handelsinteressen als Teil der Handelskammer vertreten können, so ferner die Vertreter des Kleinhandels die Ordnung ihrer Angelegenheiten im Inneren und als Teil der Handelskammer in größerem Maßstab, und in gleicher Weise ginge es mit den übrigen Zweigen. Hiernach würde der Gesamt-Handelsstand dahier durch die Handelskammer vertreten sein, diese selbst aber in einzelne Abteilungen zerlallen, welche nach Branchen die einschlägigen Geschäfte entweder erledigen oder der ganzer Kammer zur Beschlussfassung unterbreiten. Eine solche Einrichtung würde deshalb notwendig, weil Fabrikwesen und Kleinhandel in vieler Beziehung auseinander gehen und verschiedene Verhältnisse obwalten; ein Gleiches ist mit Spedition und Großhandel der Fall; aber dennoch würde sich alles als ein Ganzes ineinanderfügen, wie in den Gerichtshöfen die Senate, und aus gleichen Gründen könnten daher auch die Statuten der Karlsruher Handelskammer als Basis angenommen werden. Sollte das Großh. Oberamt nach Prüfung der Verhältnisse derselben Ansicht sein, so würden wir eine Versammlung der sämtlichen Handeltreibenden veranlassen, um darnach die Bildung einer Handelskammer dahier zu beantragen, und die betreffenden Verhandlungen seiner Zeit Wohldemselben vorlegen." Die vorgesetzten Behörden waren mit den Vorschlägen Zerrenners einverstanden, und es erschien daher im ,,Pforzheimer Beobachter" des 6. Juli 1852 folgender Aufruf des Gemeinderats:

Die Bildung einer Handelskammer betr. Die Regelung der Handelsverhältnisse in hiesiger Stadt und die damit in Verbindung stehende Bildung einer Handelskammer macht eine Beratung mit sämtlichen Mitgliedern des Handelsstandes notwendig. Zu diesem Behufe ist eine Versammlung der Herren Handelsleute und Fabrikinhaber auf Dienstag, den 12. d. M., nachmittags 3 Uhr, im oberen Rathaussaale einberaumt. Dieselben werden damit zu zahlreichem Erscheinen und mit dem Anfügen eingeladen, dass die in dieser Versammlung gefasst werdenden Beschlüsse der Großherzogl. Staatsbehörde vorzulegen sind und die Ausbleibenden als der Majorität der Erschienenen beitretend angesehen werden müssten'"

In dem Protokoll über die Gründungsversammlung der Handelskammer am 12. Juli 1852 schreibt der Bürgermeister Zerrenner:

„Nachdem auf heute Nachmittag eine Versammlung sämtlicher hiesiger Handelstreibender und Industrieller zu gemeinschaftlicher Besprechung und Regelung der lokalen Handelsverhältnisse anberaumt worden, wozu sämtliche Beteiligte durch Verkündung im Beobachter vom 8. Juli Nr. 80 wie durch Circulaire Jeder besonders eingeladen worden unter dem Anfügen, dass die Nichterscheinenden als der Majorität bezüglich der gefassten Beschlüsse beitretend angesehen werden müssten, sind auf die erfolgte Ladung erschienen: Herr August Dennig, Emeran Nützelberger, Christoph Becker, Fr. Eismann - Scheideanstaltbesitzer, L. Lehrfeld - Bijouteriefabrikanten; Frd. Hamberger, Julius Märkle, Ed. Rohreck, F. A. Schenk, Fr. Trommer, J. Prestinari, A. Kuhn, P. Fasnacht, S. B. Schlesinger, Julius Schober, Karl Bofinger, Fr. Brommer als Kaufleute; A. Ungerer, Bankier."

Es waren also nur 17 Geschäftsleute erschienen und zwar lauter Persönlichkeiten mit bekannten Namen, während die große Menge der Handeltreibenden ferngeblieben war. Von der Versammlung wurden die folgenden Fragen einstimmig mit „Ja“ beantwortet:

3 Mitgliedern der Bijouteriefabrik-Inhaber und Bijout.-Händler
3 Mitgliedern der Kaufleute mit offenem Laden
2 Mitgliedern von Besitzern von industriellen Unternehmungen und sonstigen Fabriken
1 Mitglied der Holzhandeltreibenden
1 Mitglied von Spedition und Bankwesen
1 Mitglied von Wein-, Landesprodukten- und sonstigem Engroshandel?

Der damalige Oberamtmann Fecht gab diesen Statutenentwurf empfehlend weiter an die Regierung mit einem Begleitschreiben, in dem es heißt: ,,Die Handelsleute in hiesiger Stadt standen bis jetzt in nahezu gar keiner Vereinigung. Die Bijouteriefabrikanten ließen ihre Interessen durch das Fabrik-Comitê vertreten. Unter den Spezereihändlern bestand ein Verein, an dessen Spitze der sog. Handels-Vorstand gestellt war, welcher sich jedoch lediglich damit befasste, die Preise verschiedener Kolonialwaren festzustellen und armen Commiß (=Handlungsgehilfen) Unterstützung zu gewähren. Eine Gesamt-Vertretung des hiesigen Handelsstandes fand bis jetzt nicht statt, während dergleichen in anderen Städten des Großherzogtums längst eingeführt ist.

Dass der Handel der Stadt Pforzheim bedeutend genug ist, um eine derartige Vertretung für sich, für die Gemeinde und wohl auch für die Regierung wünschenswert erscheinen zu lassen, bedarf gewiss keiner Ausführung. Die große Bedeutung der hiesigen Bijouteriefabrikation allein müsste eine solche Einrichtung rechtfertigen, da durch sie ein Organ geschaffen wird, welches diesen wichtigen Zweig der badischen Industrie, von dessen Gedeihen der Wohlstand unserer Stadt und Umgebung abhängt, vertrete, der Behörde Aufklärung in rechnischen Fragen gebe und insbesondere sie in den Stand setzen soll, auch ihrerseits möglichst zur Hebung und Blüte dieser großartigen Industrie beizutragen. Neben der Bijouteriefabrikation umfasst die Stadt aber noch andere sehr bedeutende Etablissements, von welchen wir beispielsweise nur die ausgezeichnete chemische Fabrik von Benckiser & Reimann, die Finkensteinsche Tuchfabrik, das Hammerwerk von Gebr. Benckiser nennen. Holzhandel wird von hier aus in ausgedehntem Umfang bis nach Holland getrieben. Zudem ist der Kleinhandel mit offenen Läden hier bedeutender als in Orten von gleicher oder größerer Einwohnerzahl, was sich aus der starken Consumtion bei gut bezahlter Fabrikarbeit leicht erklären lässt . . ." Der Oberamtmann erläutert dann den Statutenentwurf und empfiehlt dessen Genehmigung. Die Statuten wurden genehmigt. Aus ihm, insbesondere aus den §§ 18 und 19, ist. zu ersehen, dass die Handelskammer nicht mehr eine freie Vereinigung von Geschäftsleuten war, sondern, dass sie nach dem Willen der Regierung eine Art Zwangsinnung darstellte, die ihre Tätigkeit nach den Weisungen der Regierung einzurichten hatte.

Bürgermeister Zerrenner lud nun die Mitglieder des Handelsstandes und der Industrie zur Wahl der Handleskammer-Mitglieder auf den 30. März 1853 ein, erlebte aber wiederum die Enttäuschung, dass der weitaus größte Teil der Eingeladenen nicht erschienen war. Aus dem Bericht Zerrenners an das Oberamt vom 30. März spricht seine Empörung über dies Verhalten der Pforzheimer Geschäftsleute. Er schreibt:

,, . . . Trotzdem, dass zweimalige öffentliche Verkündigung statt hatte und dass jeder Wahlberechtigte speziell eingeladen wurde, sind doch von circa 150 Wahlberechtigten nur 28 erschienen, weshalb diese sich zur Wahlvornahme nicht berechtigt erachteten und um Anberaumung einer anderweitigen Tagfahrt nachsuchten. Dabei wurde das Ansinnen gestellt, dass, um fernere Verzögerungen zu vermeiden, die unentschuldigt Ausbleibenden zu Gunsten der Handelskasse Jeder in eine Strafe von 1 Gulden verfällt werden möge. Indem wir die heutigen Verhandlungen samt Belegen im Original Großherz. Oberamt geziemend vorlegen, bitten wir, bezüglich des Ansinnens um Straf-Androhung gefälligst entscheiden zu wollen, und erlauben uns dazu zu bemerken, dass,wenn es dem hier vielleicht wie nirgendwo herrschenden Indifferentismus nicht gelingen soll, eine Verschleppung und Verzögerung der Bildung der Handelskammer herbeizuführen, jedenfalls Anordnungen statthaben müssen, da eine plötzliche Erweckung des Gemeinsinns, ein Bestreben, seine Interessen selbst mit zu fördern, bei dem größten Teil wohl nicht erwartet werden darf. Wir bedauern, ein so hartes Urteil fällen, eine so schwere,uns selbst betreffende Anschuldigung erheben und der polizeilichen Strafandrohung das Wort reden zu müssen. Allein es sprechen hierfür nicht nur diese Eingaben, sondern viele und allgemeine Tatsachen, deren Erörterung uns gewiss gerne erlassen werden wird. Auch scheint uns ein solcher Zwang am Ende noch geratener als die Vornahme einer argen Minoritäts-Wahl, die andernfalls unausbleiblich erfolgen müsste. Wir sehen gefälliger Verbescheidung entgegen, um sodann eine weitere Tagfahrt anberaumen zu können. Zerrenner."

Statuten der Handelskammer Pforzheim 1935

Am 14. Mai 1853 meldet dann Zerrenner dem Oberamt: ,,Nachdem die auf den 30. März angeordnete Tagfahrt zur Vornahme der Wahl erfolglos geblieben, musste eine anderweitige Wahl auf den 21. April anberaumt werden und da auch in dieser Tagfahrt die Angelegenheit nicht zu Ende gebracht werden konnte, so ward eine 3. Wahl namentlich in Bezug auf die Vertreter der Bijouteriefabriken und des Bijouteriehandelsstandes notwendig. Als Resultat dieser verschiedenen Wahlen ergibt sich und wurden in den verschiedenen Sectionen gewählt:

A. Für den Bijouteriefabrik- und -Handelsstand, Wahl vom 9. Mai:

Herren August Dennig, Christoph Becker, Friedrich Siegle

B. Seitens der Kaufleute mit offenem Laden, Wahl vom 21. April: Herren C. C. Hepp, A. Schenk, Carl Bofinger

C. zu Vertretern für industrielle Unternehmungen, Wahl vom 21. April: Herr Carl Greiff (Scheideanstalt), Louis Reimann (chem. Fabrik)

D. für den Holzhandel, Wahl vom 21. April: Herr Wilhelm Lenz jun.

E. für Spedition und Bankwesen wurde Herr August Ungerer vorgeschlagen.

Für den Engros- Wein- und Landesproduktenhandel dürfte zur Zeit von der Wahl eines Mitglieds Abstand genommen werden, da diese Branche durch die Herren Hepp, Dennig und Bofinger besonders gut vertreten ist, oder aber könnte dem Collegium überlassen werden, eine Ergänzung zu veranlassen."

Die zehn neu gewählten Mitglieder der Handelskammer wurden am 18. Juni 1853 durch das Oberamt feierlich verpflichtet. Diese Verpflichtung durch die Staatsbehörde stempelte die Handelskammer zu einer Zwangsinnung oder einer Einrichtung, die nicht mehr eine freie Vertretung der Handelstreibenden war, sondern in erster Linie ein Organ zur Durchführung der Regierungsweisungen.

Die gewählte Handelskammer

Am 13. September 1853 fand die Wahl des Handelskammer-Präsidenten statt. Gewählt wurde der Fabrikant August Dennig, der schon seit dem Jahr 1841 dem Fabrik-Comitê vorgestanden hatte.

Das Amt des Präsidenten der Handelskammer ist wohl das höchste und verantwortungsreichste Ehrenamt der Stadt, das durch Wahl zu vergeben ist. In der Person des Handelskammerpäsidenten verkörpert sich jeweils eine Zeitperiode mit ihren verschiedenen Problemen und Aufgaben. Elf Namen weist die Liste der Männer auf, die seit hundert Jahren dies hohe Amt innegehabt haben, fast durchweg Namen von Persönlichkeiten, welche in Pforzheim einen guten Klang haben. Der Präsident hat auf den Gang der Geschäfte und auf den Geist, in welchem die Handelskammer arbeitet, einen ausschlaggebenden Einfluss, und darum geziemt es sich, das Andenken an diese Männer hochzuhalten, die einen großen Teil ihrer Zeit und ihrer Kraft in selbstloser Weise der Allgemeinheit geopfert haben.

August Dennig war der Inhaber eines führenden Betriebs der Pforzheimer Schmuckindustrie, den sein Großvater im Jahre 1800 gegründet hatte. Nach dem Tode seines Vaters übernahm August Dennig im Jahre 1840 das Geschäft. Jahrzehntelang war er der leitende Mann der Pforzheimer Wirtschaft. Neben seiner Tätigkeit als Handelskammerpräsident war August Dennig lange Jahre hindurch Mitglied der zweiten badischen Kammer und nach 1870 der erste Reichstagsabgeordnete des Pforzheimer Wahlkreises. Gegen Ende der 70er Jahre gab er sein Geschäft auf und verlebte seine letzten Lebensjahre auf seinem Gute, Schloß Juchow in Pommern. Als der langjährige Führer der Pforzheimer Industrie in der entscheidenden Zeit ihrer Entwicklung, von 1841 bis 1871, hat er sich in seiner Vaterstadt ein unvergängliches Denkmal gesetzt.

Für die neu gebildete Handelskammer brachte diese Zeit stürmischer Entwicklung und neu entstehender Betriebe, deren Inhaber vielfach kaufmännisch sehr wenig geschult waren, viele schwere Aufgaben, insbesondere durch die Vorschrift der Prüfung und Beurteilung der Inhaber der neu entstehenden Geschäfte. Es ist aber anzunehmen, dass die erfahrenen Männer der Handelskammer in der Erfüllung dieser innungsmäßigen Pflichten großzügig gewesen sind. So hat z. B. im Jahre 1855 der Bijouteriefabrikant Johann Ludwig Gesell seinem Betrieb eine Scheideanstalt angegliedert; vorschriftsmäßig wurde ihm zugemutet, sich einer Prüfung seiner Eignung als Scheideanstaltsbesitzer zu unterziehen. Gesell weigerte sich, da er auf dem Standpunkt stand, dass seine Person als Besitzer einer schon lange bestehenden Bijouteriefabrik genügend Gewähr biete, zumal er für seine Scheideanstalt sehr tüchtige Techniker angestellt habe. So führte er seine Anstalt, die spätere Hafner'sche Scheideanstalt, einige Jahre ohne Konzession weiter, bis ihm diese im Jahre 1859 ohne Prüfung erteilt ward.


Das etwas ungesund rasche Anwachsen der Industrie brachte natürlich auch manche unliebsame Erscheinungen mit sich. So bildete sich in den 50er Jahren eine fast unglaubliche Lehrlingszüchterei in der Pforzheimer Industrie heraus. Es gab Fabriken, in denen auf einen Arbeiter 6 und 8 Lehrlinge kamen; manche Fabriken hatten 100, viele andere 30, 40 und 50 Lehrlinge. Eine richtige Berufsausbildung konnte unter diesen Umständen natürlich nicht erfolgen; es kam manchen skrupellosen Fabrikanten auch lediglich darauf an, billige Arbeitskräfte zu haben, die nach Beendigung der Lehrzeit zum großen Teil wieder entlassen wurden. Aus der weitesten Umgebung der Stadt wurden die jungen Menschen herangezogen, die dann in der Stadt, in welcher infolge der raschen Zunahme der Bevölkerung an sich schon eine große Wohnungsnot herrschte, in primitivsten Unterkünften hausten und schweren sittlichen Gefahren ausgesetzt waren. Unter aktiver Mitwirkung von Oberbürgermeister Zerrenner gelang es, diese Missstände allmählich abzustellen und gewisse Bestimmungen über das Verhältnis von Arbeiter- zur Lehrlingszahl durchzusetzen. Auch bei der Beratung über die Neuregelung von Zollsätzen nach den vielen neuen Exportländern hat die Kammer beratend und mit Gutachten mitgewirkt.

Präsidenten der Handelskammer Pforzheim

Literatur

Adresse Pforzheim

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